Lucas Schönborn
Das Legal Tech Jahr 2019
Das Legal Tech Jahr 2019 – ein Meilenstein
Das Jahr 2020 hat begonnen. Ein neues Jahrzehnt ist angebrochen und ein altes ist zu Ende gegangen. Für den Legal Tech-Markt waren insbesondere die letzten Jahre spannend. Vor allem 2019 ist für die Branche von eminenter Wichtigkeit gewesen. Also ist es nun an der Zeit, die vergangenen 12 Monate nochmal Revue passieren zu lassen und die wichtigsten Entwicklungen im Bereich Legal Tech zusammenzufassen.
Grundsatzurteil BGH
Im November war es soweit! Das lang ersehnte Grundsatzurteil des BGH zur Frage der Zulässigkeit von Legal Tech-Geschäftsmodellen auf Basis einer Inkassotätigkeit wurde gefällt. Und das beste – für die Legal Tech-Branche ein durchweg positives. Konkret ging es um den Anbieter wenigermiete.de. Dort können Verbraucher bspw. ihre Miete auf Inkompatibilitäten mit dem Mietenspiegel überprüfen. Wird diese als unvereinbar eingestuft, tritt der Verbraucher die Forderung der zu viel gezahlten Miete an wenigermiete.de ab und erhält im Gegenzug das Geld, das ihm zusteht (abzüglich Provision). Dieses Inkasso-Geschäftsmodell ist auch aus anderen Fällen, wie beispielsweise der Fluggastentschädigungsplattform flightright, bekannt. Der BGH entschied, dass diese Tätigkeit als Inkassodienstleister grundsätzlich mit dem RDG vereinbar ist und keine unzulässige Rechtsberatung darstellt. Dass dies bei vielen Anwälten (beispielsweise geht die Berliner Anwaltskammer zurzeit in einem anderen Prozess in der Berufungsinstanz gegen wenigermiete.de vor) auf Missgunst stoßen würde, war vorhersehbar. Die Rechtsunsicherheit, die für Legal Tech-Unternehmen vorherrscht, wurde im Ergebnis jedenfalls etwas verringert. Auch wenn der BGH selbst in der schriftlichen Urteilsbegründung eingeräumt hat, dass sich „keine allgemeingültigen Maßstäbe“ aufstellen lassen und es bei einer Einzelfallbetrachtung bleibt, ob eine Inkassodienstleistung gegen das RDG verstößt,[1] ist es ein erstes Urteil und somit ein Meilenstein! Die daraus entstehende Notwendigkeit einer RDG-Reform, um eventuell entstehende Wettbewerbsnachteile der Anwaltschaft zu beseitigen (bspw. das Verbot von Erfolgshonoraren), ist nicht zu vernachlässigen.
Politik
In der Politik ist das Bewusstsein rund um die Problematik der Rechtssicherheit für Legal Techs in diesem Jahr endgültig angekommen. So hat zum einen die FDP einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dieser hatte zum Inhalt, Legal Techs explizit zu erlauben und sie an das anwaltliche Haftungsmodell heranzuführen sowie der Justizaufsicht der Länder zu unterwerfen. Darüber hinaus hatte der Antrag auch zum Inhalt, es Anwälten beispielsweise zu gestatten, Erfolgshonorare zu nehmen, damit diese nicht in Mitleidenschaft gezogen werden und sich keinen grundsätzlichen Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt sehen.
Zum anderen hat auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Thema nun für sich entdeckt. Im Sommer veranstaltete die Bundestagsfraktion ein Fachgespräch, zu dem Experten eingeladen wurden, um das Thema kontrovers zu diskutieren. Die Diskussion drehte sich unter anderem um Fragen der Sicherstellung der Qualität der Rechtsberatung oder einer möglichen Liberalisierung des anwaltlichen Berufsrechts. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass man rechtspolitisch in die eine wie in die andere Richtung konsequent handeln sollte. Unabhängig davon, ob man das anwaltliche Monopol verteidigen oder den Rechtsmarkt auch neuen Unternehmen öffnen möchte.
Fraglich bliebt nur, wann die Bundesregierung das Zepter des Handels den Gerichten und der Opposition aus der Hand nimmt und selbst damit beginnt, sich mit den Entwicklungen am Rechtsmarkt auseinanderzusetzen. Dass die Bundesregierung im letzten Jahr ein Strategiepapier für die Blockchain-Technologie veröffentlicht hat, ist ein Hoffnungsschimmer. Wobei anzumerken ist, dass eine Blockchain-Strategie im Gegensatz zu einer RDG-Reform bereits Gegenstand des Koalitionsvertrages ist.
Veranstaltungen
Auch in diesem Jahr gab es wieder zahlreiche Hackathons, Konferenzen etc. So war beispielsweise die Legal (R)evolution in Frankfurt, die auch als „Klassentreffen“ der Legal Tech-Szene bezeichnet wird, äußerst gut besucht. Bei 1200 Teilnehmern und 70 Ausstellern wurden in Frankfurt unter anderem die Herausforderungen für das Strafverfahren oder Fragen des digitalen Eigentums diskutiert. Darüber hinaus wurden vielfältige Workshops angeboten, beispielsweise zu Themen wie Design Thinking oder Leadership 4.0 in Legal Departments & Law Firms. Auch auf dem von Soldan und Wolters Kluwer veranstalteten Anwaltszukunftskongress, der dieses Jahr in Köln ausgetragen wurde und mit 250 Teilnehmern gut besucht war, wurden viele spannende Aspekte der Digitalisierung der Rechtsbranche diskutiert. Diskussionsgegenstand waren die Fragestellungen, wie Innovation gefördert wird oder ob die Anwaltschaft als solches überhaupt eine Zukunft hat (was ganz klar mit Ja beantwortet wurde). Die Resonanz war so groß, dass bereits ein Anwaltszukunftskongress 2020 in Berlin geplant ist. Auch die Legal (R)evolution 2020 befindet sich bereits in Planung.
Fachliteratur
Aber auch einige interessante Bücher, die in diesem Jahr erschienen sind, sollen nicht vernachlässigt werden. Die Koryphäe Richard Susskind hat beispielsweise hat sein neues Buch „Online Courts and the Future of Justice“ auf den Markt gebracht. Darin erläutert er den Einfluss der Digitalisierung auf das Arbeiten von Gerichten sowie Möglichkeiten, Recht global zugänglicher zu gestalten.
Auch hat beispielsweise Christian Solmecke (okay zugegeben, im Dezember 2018 und nicht im Jahr 2019) sein neues Buch „Legal Tech. Die moderne Transformation in der Anwaltskanzlei. Ein Leitfaden für moderne Anwälte“ herausgebracht. Dass immer mehr Bücher zu diesen Thematiken erscheinen, zeigt einmal mehr, dass das Thema immer mehr in der Mitte der Rechtsberatung ankommt und kein Nischenthema ist.
Fazit
Das Jahr 2019 war ein Legal Tech Jahr wie noch keins zuvor. Spannend bliebt es vor allem abzuwarten, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern. Ob endgültig Rechtssicherheit für Unternehmen geschaffen wird oder sie sich weiterhin mehr oder weniger in der rechtlichen Grauzone bewegen, ist noch offen. Auch wenn der BGH etwas Sicherheit geschaffen hat, indem er im Einzelfall grundsätzlich die Zulässigkeit von derartigen Inkassodienstleistungen bestätigt hat, ist das RDG in jedem Fall reformbedürftig. Wünschenswert wäre es auch, wenn auch der Rechtsmarkt an sich liberalisiert wird und Anwaltskanzleien beispielsweise Erfolgshonorare nehmen dürfen. Schließich sollten Kanzleien gegenüber Legal Tech Unternehmen keine grundsätzlichen Wettbewerbsnachteile haben.
[1] https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2020-063.pdf